Ich habe mich oft gefragt, warum auf Bali das Symbolzeichen des Yin & Yang in den polaren Ausdrucksweisen ‚vertauscht‘ dargestellt wird. Der weibliche YIN-Aspekt mit seinem dunklen, kühl-klaren Ausdruck zeigt sich hierbei rechts aufsteigend als präsent-vital dennoch sanft-leise im Auftreten. Ähnlich wie ein feiner, als nicht wirklich präsent empfundener, Wasserrinnsal in jede Lücke und Ritze hinein fließen kann, weil es nicht beachtet und somit nicht aufgehalten wird. Der männliche Gegenpol scheint eher erdend, stabilisierend denn dominant.
Natürlich gibt es auch das lautstarke, aktive, männlich-kraftvolle Ausdrücken in dieser Kultur. Auf sinnlich ansprechende Weise können wir es in den traditionellen Bali-Tänzen erleben, welche den ewigen Tanz mit unerwünschten Dämonen (steht ja u.a. für unsere negativen und angsteinflößenden inneren Prägungen) darstellen auch im energisch-konstruktiven Umgang mit selbigen. Die anmutigen Bewegungen der Tänzerinnen während des obigen Macht-Schauspiels erinnern hierbei stets an die ablenkende Leichtigkeit – vor allem hinsichtlich seiner beruhigend-sanfter Wirkung.
In der weltweit einzigartigen Hindu-Dharma-Kultur Bali’s wertet man die Gegensätze nicht in gut oder schlecht – sie sind einfach. Durch den mentalitätseigenen Respekt aller polaren Kräfte und Ausdrucksweisen wird somit auch keinem Menschen, ob Mann oder Frau, wirklich der Wert genommen – vielmehr wird jedem entsprechend der Herkunft als auch der geschlechtsspezifischen Fähigkeit die Gewichtung innerhalb der Gesellschaft zugesprochen.
Das strenge Kastensystems, wie wir es hauptsächlich von den hinduistischen Bereichen Indiens her kennen, erfährt auch hier eine harmonische Aufweichung der Grenzen. So findet man bspw. unter den Taxi-Fahrern durchaus Brahmanen (höchste Kaste), während im Gegenzug aus darunter angesiedelten Gesellschaftsschichten Geborene die Möglichkeiten für akademische Bildung und entsprechende Berufsausübung offen stehen. Die Kaste der Unberührbaren existiert hier nicht.
Auf die Frage, was die anmutig angebrachten Gaben jeden Morgen vor jeder Türe bedeuten, erklärte mir eine zarte Balinesin: ‚It’s just for Harmony‘ – für die Balance, dem Gleichgewicht von allem.
Dieser Fokus zeigt sich in der grundlegenden Mentalität der Insulaner. Lautstarke, öffentliche Auseinandersetzungen, Beschimpfungen oder gar üble Handgreiflichkeiten begegnet man nicht. Denn dies bedeutet – laut Aussage von Einheimischen – der absolute Gesichtsverlust für alle Beteiligten. Des Agressiven als auch der Gegenpartei.
Anders als auf den anderen Inselgruppen des Staates leben hier bespielsweise fünf Religionen friedlich neben- und miteinander. Dem konnte selbst das weltweit Aufsehen erregende Bombenattentat vor über 10 Jahren keinen entscheidenden Abbruch setzen.
Die Wichtigkeit das jeweiligen Ausgleichs – der Balance von YIN & YANG zeigt sicht hier sehr anschauend. Jedoch angeleitet von der ruhigen, sanften Kraft des Yin (der weiblich-iniuitiven Qualtität) unterstützt mit der Rückendeckung des (muskel)starken, präsent-lauten, kraftvollen Yang. Eine uns allen innewohnende wertvolle männliche Entscheidungskraft.
Für mich ist dieses Inselparadies fortan die Insel der Harmonie – man wird berührt von dieser Lebensphilosophie, wenn man einmal hier eintauchen kann. Und ich meine hierbei weniger in die touristenüberfluteten Südstrände des Eilands. Nein, ein paar Kilometer gen Landesinnere oder in die nördlichen Richtungen spürt man bereits überall die Tradition und den Geist dieser besonderen Kultur Bali’s – trotz Einzug der Moderne.