Wenn du vernünftig bist,
erweise dich als Schale, nicht als Kanal,
der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt,
während jene wartet, bis sie gefüllt ist.

Auf diese Weise gibt sie das,
was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.
Denn sie weiß, dass der verflucht ist,
der seinen Teil verringert …

Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen,
und habe nicht den Wunsch,
freigiebiger als Gott zu sein.
Die Schale ahmt die Quelle nach.
Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist,
strömt sie zum Fluss, wird sie zur See.
Die Schale schämt sich nicht,
nicht überströmender zu sein als die Quelle.
Du tue das Gleiche!
Zuerst anfüllen und dann ausgießen …

Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen,
nicht auszuströmen.
Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst,
wem bist du dann gut?
Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle –
wenn nicht, schone dich!
[aus einem Brief von Bernhard von Clairvaux (1090-1153)]

 

WOHLSTAND · Welches Gefühl assoziierst du mit diesem Wort? Materiellen und finanziellen Reichtum? Gesundheit? Glück in Beziehungen, Freund- und Partnerschaft? Denkst du hierbei womöglich an Fülle oder aber leerer Leichtigkeit?
Gerade in der Fastenzeit, wenn bewusster Verzicht traditionell für 40 Tage auf der gesellschaftlichen Tagesordnung steht, beschäftigen sich Mensch & Medien mit der Thematik des Loslassens, was zuviel ist.
Doch wann ist etwas zuviel oder zuwenig? Über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hinweg haben adlige, staatsmännische und religiöse Oberhäupter sowie Institutionen uns hierzu einen Leitfaden geliefert, an welchem sich Mensch richten konnte, richten musste, um im Schutz der Gesellschaft zu bleiben.
Das Konsumzeitalter im Rahmen des Kapitalismus hat dafür gesorgt – mit ungleichen Verhältnissen zwar – dass wir im Raster der Maslow’schen Bedürfnispyramide ein(ige) Stufen höher stiegen. Zumindest in der westlichen Welt sind ein Dach über dem Kopf und ein mehr oder weniger gefüllter Kühlschrank eine Selbstverständlichkeit geworden, über das wir uns kaum mehr Gedanken machen.
Gleichzeitig hängt in uns noch das Mangelbewusstsein, welches sich über all die Epochen der Menschheit fest in das Unterbewusstsein einschweisste. Selbst mit der immer größer werdenden materiellen Fülle um uns, fühlen wir uns manchmal seltsam leer. Wir öffnen unsere voll gefüllten Schränke, finden jedoch für den Moment nicht
s Brauchbares und erFÜLLEN uns am kurzzeitigen Genuß eines Einkaufbummels. Und noch mehr Dinge verstopfen sukzessive nicht nur unsere Räume, sondern sie machen uns übervoll und reizüberflutet. Dies bezieht sich vor allem auch auf die Situation des Informationszeitalters – deren Segen & Flu(t)ch. Wie liebten wir (vor wenigen Jahren noch) die beliebten Newsletter von Coaches, Beratern aber auch Vertriebs- und Handelshochburgen, damit wir in den Genuß von brauchbaren Tipps, Anregungen und Kaufempfehlungen kommen konnten.
Mittlerweile entwickeln sich so manche als regelrechte Online-Verweigerer … keine eMails, kein Facebook, keine SMS, wenn auch noch so short …
Und können dabei evtl. Gefahr laufen, Wichtiges und Wesentliches – mitunter sogar den Zug der Zeit zu verpassen …

Was nun … was tun?

WOHLSTAND · Dieses Wort vermittelt uns nichts anderes, als dass es dir ‚wohl steht‘ im Leben. Doch wann und wie kann dieser wünschenswerte und lebenswichtige Zustand erreicht und bewahrt werden?
Wohlstand hat vor allem mit Vertrauen zu tun. Vertrauen in uns, in das Jetzt, in das Morgen. Dass alles, was für uns wichtig und (über)lebensnotwendig ist, jederzeit zur Verfügung steht. Wie ein fließender Bach, welcher stets frisches Wasser für uns bereit hält. Wir müssen Wasser nicht Kanister- oder gar Bunker-weise horten, möglicherweise den Bachlauf zu uns abzweigen. Wir können vertrauen, dass Wasser immer da ist. Vertrauen, dass wir in Trockenzeiten auch ohne dies zeitweise auskommen können. Ein Eichhörnchen hortet nicht mehr, als es selbst über Winter benötigt.
Natürlich ist es sinnvoll geworden, mit Dingen und lebensnotwendiger Nahrung zu wirtschaften, damit wir das (Über)Leben sicherer gestalten. Doch ist diese Wirtschaft nun einer wahren Wucher gewichen – im Einzelhandel als auch vor allem in der Finanzwelt. Selbst Banker durchblicken kaum noch alle Produkte ihrer eigenen Branche.

Wir konsumieren tag-aus-tag-ein … getrieben von unserem immer noch unbewusst aktivierten Mangelbewusstsein. Die Werbung als Sprachrohr der Produktionsgiganten flüstern uns das Seelenheil der tollen Dinge ein, welche wir nur erwerben müssen …

Fastenzeit kann uns heutzutage helfen, uns über all dies bewusst zu werden. Kann uns helfen, wie herrlich erleichternd es sein kann, einmal ganz leer zu werden. Wie wunderbar fühlen wir uns nach einem lange vor uns hergeschobenen, doch dann letztendlich durchgeführten Frühjahrtsputz. Und wie leicht, wenn wir hierbei so ganz nebenbei gleich die Schränke, Regale und Abstellbereiche entrümpeln. HERRLICH!

Doch ist das Loslassen mitunter nicht besser als das Festhalten. Panta Rhei … alles fliesst – das wundervolle Sprichwort beschreibt mit zwei Silben die Essenz des Gesetzes allen Lebens. Wohlstand und Balance bedeutet, dass alles natürlich fliesst. Wasser, Atemluft, Dinge, Geld  …. aber auch Situationen, Gefühle, Gedanken. Hilfreich ist es, sich alles genannte als einen liebenswerten Gast vorzustellen, welcher stets solange bleiben kann, wie er möchte… Der wiederkommen darf …

Festhalten bereitet nur dann Pein, wenn wir im Festhalten verbissen sind, aus Angst vor der Leere verkrampfen. Wenn wir uns im Urschmerz der Trennung von allem und allen verfangen … Wenn wir nicht vertrauen (können) …
Dann legt sich Staubschicht über Staubschicht auf unsere verklebten Strukturen. Stellen sie sich einmal eine Küche vor, welche nie oder nur alle 10 Jahre gereinigt und mit frischen, neuen Sachen bestückt wird.
Im Vertrauen in uns und unsere Kräfte und Möglichkeiten lernen wir Surfen auf dem Wellentanz des Lebens auf den Fluten des Alltags. Wir können nicht gleichzeitig ins Kino  u n d   ins Konzert gehen. Wir dürfen, wir können entscheiden. Das andere ist danach auch noch da, vielleicht etwas abgewandelt in Zeit, Form oder Inhalt.

Stauben wir also unsere Dinge ab, entrümpeln unsere Schränke und Keller, lüften unserer Räume … lassen den Wind der Veränderung hineinwehen. Bauen wir dann Windmühlen und keine Mauern, dann lacht die Sonne des Lebens mit uns um die Wette. Auch und gerade dann, wenn der Alltag einmal wolkenverhangen und dunkel ist, dann wenn es stürmt und gewittert.

Wenn wir mit der unangenehmen und trostlosen Situation hadern, halten wir fest. Wenn wir etwas unbedingt loswerden wollen, hadern wir, nehmen nicht an. Können somit nicht bewusst loslassen. Scheint alles irgendwie paradox … was es auch ist.
VERTRAUE und nehme an, was ist – die Sonne wartet … ÜBER DEN WOLKEN!